Geld wird im M-Commerce bei B-to-B verdient
In den nächsten fünf Jahren werden nennenswerte Umsätze und erst Recht Gewinne mit Mobile Commerce ausschließlich im Business-to-Business-Markt erwirtschaft werden. Unternehmen mit Schwerpunkt auf den Consumer-Markt müssen daher mindestens über diesen Zeitraum hinweg mit hohen Anlaufverlusten rechnen. Diese Einschätzungen vertritt Dr. Bettina Horster Vorsitzende des Arbeitskreises „Mobile Commerce“ im Verband der deutschen Internet-Wirtschaft, eco Electronic Commerce Forum e.V., und Geschäftsführerin der VIVAI Software GmbH.
Nach Einschätzung von Horster stehen sich die europäischen Mobilfunkbetreiber beim Erfolg von M-Commerce derzeit selbst im Weg. Die Begründung: Die GSM-Netzbetreiber und UMTS-Lizenznehmer kontrollieren die Gateways, über die ihre Kunden auf Inhalte und Anwendungen zugreifen, sind jedoch nicht für wirtschaftlich interessante Geschäftsmodelle zur Umsatzsplittung mit den Inhalts- und Anwendungsanbietern bereit.
Das führe zu einem Mangel an attraktiven Business-to-Consumer-Anwendungen, die wirtschaftlich lebensfähig seien, meint Dr. Bettina Horster. Nach ihrer Einschätzung ist der Erfolg von i-mode in Japan entscheidend darauf zurückzuführen, dass der dortige Netzbetreiber NTT Docomo von Anfang an ein für die unabhängigen Dienste- und Inhaltsanbieter attraktives Modell zur Umsatzaufteilung offeriert hat.
Die europäischen Netzbetreiber wollen durch die Kontrolle über den Zugang hinaus auch an anderen Teilen der Wertschöpfungskette im M-Commerce mitverdienen, sagt Horster. Die M-Commerce-Chefin von eco verweist auf Modellrechnungen, wonach künftig nur 15 Prozent der Wertschöpfung im Mobile Business bei der Netzinfrastruktur und nochmals ca. 35 Prozent beim Zugang entstehen werden.
Nach Horsters Modell werden 25 Prozent auf die Inhalte einschließlich Applikationen und 10 Prozent auf die zielgruppengerechte Zusammenfassung und Kanalisierung der Inhalte entfallen. Auf Produktmarketing und Vertrieb, also die „klassischen“ Formen des E-Commerce, werden im Mobilmarkt nach Horsters Rechnung nur 10 Prozent der Wertschöpfungskette entfallen. Abrechnungsdienste veranschlagt die eco-Expertin auf 5 Prozent.
Weil die Netzbetreiber selbst einen möglichst hohen Anteil an der Wertschöpfung in die eigene Tasche stecken wollen, versuchen sie unabhängige Portale, Content Provider, Mobile Application Service Provider und Softwarehäuser von ihren Kunden fernzuhalten, erklärt Dr. Bettina Horster. Die Mobile-Expertin: „Das wäre ungefähr so, als wenn im Internet ein Internet Service Provider auch alle Seiten und Anwendungen kontrollieren wollte, die seine Kunden aufrufen und nutzen.“
„Die Mobilportale T-Motion von D1 und Vizaviz von D2 stehen beispielhaft für den Versuch der Netzbetreiber, ihr Oligopol beim Netz und beim Zugang als Hebel einzusetzen, um sich im Inhaltsbereich einen Platz ganz vorne zu sichern. Bislang ist Jamba der einzige erfolgversprechende Versuch, ein unabhängiges Mobilportal zu etablieren“, gibt Dr. Bettina Horster aktuelle Beispiele.
Die VIVAI-Geschäftsführerin rät den Netzbetreibern zur Umkehr ihrer Zugang und Inhalte umfassenden Firmenpolitik. Sie argumentiert: „Das Internet ist deshalb so stark gewachsen, weil die Zugangsbetreiber die Inhalte nicht kontrollieren. Die Netzbetreiber würden sich und der gesamten Branche einen Riesengefallen tun, wenn sie im mobilen Internet einen ähnlichen Wildwuchs wie im stationären Internet zuließen und sich ausschließlich auf das Netz und den Zugang konzentrierten“. Beides zusammen macht nach ihrer Modellrechnung immerhin die Hälfte der gesamten Wertschöpfungskette aus.
Nach Einschätzung von Horster wird die Öffnung der Netzplattformen spätestens mit der Einführung von UMTS ohnehin unvermeidbar sein. Die Lizenzbedingungen sehen nämlich nicht vor, dass die Netzbetreiber die Inhalte und Anwendungen kontrollieren, argumentiert sie. „Falls die UMTS-Lizenznehmer nicht freiwillig fremde Inhalts- und Anwendungsanbieter in ihre Netze lassen, wird der Regulierer eingreifen“, meint Dr. Bettina Horster.
Die VIVAI-Geschäftsführerin empfiehlt den Netzbetreiber allerdings, schon ihre heutigen GSM/GPRS-Netze für das mobile Internet zu öffnen und dabei den Schwerpunkt auf B-to-B-Anwendungen zu legen. Insbesondere sollten Unternehmen ermuntert werden, Teile ihrer Geschäftsprozesse auf die Funknetze zu übertragen. „Viel schneller als sich im mobilen Internet Geld verdienen lässt kann die Wirtschaft damit Kosten sparen“, meint Dr. Bettina Horster.
Hierzu müssten die Netzbetreiber eng mit Systemhäusern zusammenarbeiten, die branchenspezifische Lösungen für die Mobile Prozessoptimierung entwickeln. So lassen sich beispielsweise im Transportgewerbe durch Workflowoptimierung, bessere Ressourcenzuweisung und den erleichterten Informationszugang unterwegs Effizienzsteigerungen von über 30 Prozent erzielen, gibt Horster ein Praxisbeispiel.